Bindungsstile und ihr Einfluss auf die eigene Beziehungsqualität

Unsere ersten Beziehungen zu unseren Bezugspersonen in der Kindheit prägen entscheidend Bindung Paarbeziehungunsere Erwartungen an zwischenmenschliche Beziehungen. Der eigene Bindungsstil und der Einfluss auf die eigene Beziehungsqualität ist enorm.

Deshalb erhältst du hier einen ersten Einblick der dir helfen kann dich selber aber auch deinen Partner besser zu verstehen.

Denn der erworbene Bindungsstil ist oftmals weichenstellend für unser Bindungsverhalten im Erwachsenenalter, denn die frühen Bindungserfahrungen formen in einer „Blaupause“ unsere eigenen Bindungsstile.

Diese in der Vergangenheit erworbenen Bindungsstile sind aber nicht “in Stein gemeißelt”. Sondern sie lassen sich an neue Situationen anpassen.

Der erste Schritt dazu ist erst einmal zu verstehen welche Bindungsstile es überhaupt gibt.

Die Bindungstheorie, ursprünglich von John Bowlby in den 1950er Jahren entwickelt, beschreibt die Art und Weise, wie sich Kinder an ihre primären Bezugspersonen binden und wie diese frühen Bindungserfahrungen die Entwicklung von Verhaltensmustern und Erwartungen in späteren Beziehungen beeinflussen.


Nach dieser Bindungstheorie gibt es vier Hauptbindungsstile:

  1. Sicherer Bindungsstil:

  • Kindheit: Das Kind erfährt dauerhaft Fürsorge, emotionale Unterstützung und Trost. Es fühlt sich sicher und geborgen. Menschen mit einem sicheren Bindungsstil haben in der Regel verlässliche und liebevolle Beziehungen in ihrer Kindheit erlebt. Erwachsenenbeziehung: Fühlt sich in Beziehungen wohl, kann Nähe zulassen und sucht diese auch, ohne sich zu sehr zu sorgen oder abhängig zu werden. Verfügt über gute Kommunikationsfähigkeiten und kann Konflikte konstruktiv lösen.
  1. Unsicher-vermeidender Bindungsstil:

  • Kindheit: Das Kind erfährt Zurückweisung oder emotionale Distanz von seinen Bezugspersonen. Dieser Stil entwickelt sich oft bei Kindern, deren Bedürfnisse nach Nähe und Trost nicht zuverlässig erfüllt wurden Es lernt, seine Bedürfnisse zu unterdrücken, um nicht zurückgewiesen zu werden.
  • Erwachsenenbeziehung: Vermeidet emotionale Nähe und Intimität. Tut sich schwer, sich zu öffnen und über Gefühle zu sprechen. Zieht sich bei Konflikten zurück oder wirkt emotional distanziert. Legt Wert darauf die eigene Unabhängigkeit zu betonen, um Verletzlichkeit zu vermeiden.
  1. Unsicher-ambivalenter Bindungsstil:

  • Kindheit: Das Kind erlebt unvorhersehbare Reaktionen von seinen Bezugspersonen. Mal ist die Bezugsperson verfügbar und liebevoll, mal abweisend und unaufmerksam.
    Kinder, die unzuverlässige Fürsorge erfahren haben, entwickeln oft einen unsicher-ambivalenten Bindungsstil.
    Erwachsenenbeziehung: Sehnt sich nach Nähe, hat aber gleichzeitig Angst vor Zurückweisung. Verhält sich oft anhänglich und eifersüchtig. Neigt zu emotionalen Höhen und Tiefen in der Beziehung. Als Erwachsene haben sie Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen, und sind oft ängstlich oder besorgt, verlassen zu werden.
  1. Desorganisiert-desorientierter Bindungsstil:

  • Kindheit: Das Kind erlebt traumatische Erfahrungen wie Missbrauch oder Vernachlässigung. Die Bezugsperson ist gleichzeitig Quelle von Angst und Trost.
    Erwachsenenbeziehung: Zeigt widersprüchliches Verhalten in Beziehungen. Sehnt sich nach Nähe, kann diese aber nicht ertragen. Hat Schwierigkeiten, Vertrauen aufzubauen und emotionale Stabilität zu finden. Erwachsene mit einem desorganisierten Bindungsstil können in Beziehungen verwirrt oder übermäßig kontrollierend sein.


    Wenn Paare mit unterschiedlichen Bindungsstilen zusammenkommen, können sich spezifische Interaktionsmuster und Dynamiken entwickeln. Hier sind einige Kombinationen und ihre möglichen Auswirkungen auf die Paarbeziehung aufgeführt:

  1. Sicherer Bindungsstil in Verbindung mit Unsicher-vermeidendem Bindungsstil:

    • Das sichere Partner sieht sich möglicherweise nach emotionaler Nähe sehnend, während der vermeidende Partner versucht, Abstand zu halten.
    • Der sichere Partner könnte versuchen, den vermeidenden Partner zu verstehen und zu unterstützen, was jedoch zu Frustration führen kann, wenn der vermeidende Partner nicht auf die Annäherungsversuche eingeht.
    • Der vermeidende Partner könnte sich in der Beziehung eingeengt fühlen und versuchen, mehr Unabhängigkeit zu bewahren.
  2. Sicherer Bindungsstil in Verbindung mit Unsicher-ambivalentem Bindungsstil:

    • Das sichere Partner bietet Stabilität und Verlässlichkeit, während der ambivalente Partner nach Bestätigung und Sicherheit sucht.
    • Der ambivalente Partner könnte häufig Bestätigung und Zusicherung von dem sicheren Partner verlangen, was zu Überforderung führen kann.
    • Der sichere Partner könnte versuchen, den ambivalenten Partner zu beruhigen und Sicherheit zu geben, was jedoch zu einem Muster von Verfolgung und Rückzug führen kann.
  3. Unsicher-vermeidender Bindungsstil in Verbindung mit Unsicher-ambivalentem Bindungsstil:

    • Diese Kombination kann zu einem klassischen Verfolgungs-Rückzug-Muster führen, wobei der ambivalente Partner nach Nähe sucht und der vermeidende Partner Abstand nimmt.
    • Beide Partner können sich in ihren Bindungsängsten verstärkt sehen: Der vermeidende Partner fühlt sich eingeengt, während der ambivalente Partner verlassen fühlt.
    • Es kann zu einem ständigen Konflikt um Nähe und Unabhängigkeit kommen, der schwer zu lösen ist.
  4. Sicherer Bindungsstil in Verbindung mit Desorganisiertem Bindungsstil:

    • Das sichere Partner bietet Struktur und Sicherheit, während der desorganisierte Partner mit inneren Konflikten und Verhaltensunsicherheit kämpft.
    • Der sichere Partner könnte versuchen, den desorganisierten Partner zu stabilisieren, was jedoch durch unvorhersehbares Verhalten des desorganisierten Partners erschwert wird.
    • Der desorganisierte Partner könnte sich hin- und hergerissen fühlen zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Gefühl, nicht in der Lage zu sein, eine Beziehung aufrechtzuerhalten.
  5. Unsicher-vermeidender Bindungsstil in Verbindung mit Desorganisiertem Bindungsstil:

    • Beide Partner könnten Schwierigkeiten haben, eine stabile Beziehung aufzubauen, da beide mit Bindungsängsten und Vermeidungsstrategien kämpfen.
    • Der vermeidende Partner könnte versuchen, Abstand zu halten, während der desorganisierte Partner zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Gefühl, nicht fähig zu sein, Nähe zuzulassen, schwankt.
    • Es kann zu einer instabilen Beziehung führen, in der beide Partner sich nicht sicher fühlen und das Vertrauen schwer aufzubauen ist.
  6. Unsicher-ambivalenter Bindungsstil in Verbindung mit Desorganisiertem Bindungsstil:

    • Diese Kombination kann zu einer sehr turbulenten Beziehung führen, da beide Partner mit Bindungsängsten und Unsicherheiten kämpfen.
    • Der ambivalente Partner sucht nach Sicherheit und Bestätigung, während der desorganisierte Partner mit inneren Konflikten und Verhaltensunsicherheit zu kämpfen hat.
    • Es kann zu einem Muster von Verfolgung und Rückzug kommen, das durch das unvorhersehbare Verhalten des desorganisierten Partners noch verstärkt wird.

Jede dieser Kombinationen erfordert von den Partnern Verständnis, Kommunikation und manchmal auch professionelle Hilfe, um die Beziehung erfolgreich zu gestalten. Es ist wichtig, dass beide Partner bereit sind, an ihren Bindungsmustern zu arbeiten und sich aufeinander einzulassen, um eine gesunde und erfüllende Beziehung aufzubauen.

Interaktions- und Konfliktmuster bei Partnern mit gleichem Bindungsstil:

Konflikte Beziehungenwenn man meinen könnte, dass gleiche Bindungsstile für Harmonie sorgen, können auch hier spezifische Herausforderungen und Konfliktmuster entstehen:

  1. Sicherer Bindungsstil & Sicherer Bindungsstil:

  • Interaktionsmuster: Offene Kommunikation, emotionale Nähe, gegenseitiges Vertrauen und Unterstützung. Konflikte werden konstruktiv angesprochen und gelöst.
  • Konfliktpotential: Gering, da beide Partner über gute Kommunikationsfähigkeiten und Konfliktlösungsstrategien verfügen.
  • Herausforderung: Trotzdem können Konflikte entstehen, die jedoch nicht in den Grundfesten der Beziehung rütteln. Wichtig bleibt, die Bedürfnisse des Partners nicht als selbstverständlich zu betrachten und die Romantik und Leidenschaft in der Beziehung zu pflegen.
  1. Unsicher-vermeidender Bindungsstil & Unsicher-vermeidender Bindungsstil:

  • Interaktionsmuster: Emotionale Distanz, Vermeidung von Intimität, oberflächliche Kommunikation. Konflikte werden oft unter den Teppich gekehrt.
  • Konfliktpotential: Die emotionale Distanz kann zu Unzufriedenheit und Frustration führen. Da beide Partner Konflikten aus dem Weg gehen, stauen sich ungelöste Probleme an.
  • Herausforderung: Einen Weg zu finden, emotionale Bedürfnisse zu kommunizieren und Nähe zuzulassen, ohne dass sich einer der Partner bedroht fühlt.
  1. Unsicher-ambivalenter Bindungsstil & Unsicher-ambivalenter Bindungsstil:

  • Interaktionsmuster: Große emotionale Intensität, Verlustängste, Eifersucht und Drama. Konflikte eskalieren schnell und sind von starken Emotionen geprägt.
  • Konfliktpotential: Die Beziehung ist oft ein Wechselbad der Gefühle, geprägt von Höhen und Tiefen. Die Verlustängste beider Partner verstärken sich gegenseitig und können zu einem Teufelskreis aus Eifersucht und Kontrolle führen.
  • Herausforderung: Einen Weg zu finden, mit den eigenen Emotionen umzugehen, ohne die Beziehung zu sabotieren. Gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und die Verlustängste zu reduzieren.
  1. Desorganisiert-desorientierter Bindungsstil & Desorganisiert-desorientierter Bindungsstil:

  • Interaktionsmuster: Chaotische und instabile Beziehung, geprägt von widersprüchlichen Verhaltensweisen, Nähe- und Distanzbedürfnissen.
  • Konfliktpotential: Hohes Konfliktpotential aufgrund der emotionalen Instabilität beider Partner. Konflikte eskalieren schnell und sind oft von Verletzungen und Misstrauen geprägt.
  • Herausforderung: Eine stabile und sichere Beziehung zu führen, ist extrem schwierig. Beide Partner benötigen professionelle Hilfe, um ihre Bindungsmuster zu verstehen und neue, gesunde Beziehungsmuster zu erlernen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch bei Partnern mit gleichem Bindungsstil spezifische Herausforderungen und Konfliktpotentiale bestehen. Bewusstheit für den eigenen Bindungsstil und den des Partners sowie die Bereitschaft zur Reflexion und Veränderung sind essentiell, um eine glückliche und erfüllte Beziehung zu führen.

Nachfolgend ein Fragenkatalog, der die vier grundlegenden Bindungstypen behandelt:

  1. Mit einem sicheren Bindungsstil würdest Du bei diesen Aussagen mit „ja“ zustimmen:

    • Fühlst du dich in deinen Beziehungen generell sicher und zufrieden?
    • Vertraust du leicht anderen Menschen?
    • Fühlst du dich in der Lage, deine Bedürfnisse und Gefühle auszudrücken?
    • Kannst du unabhängig von anderen Entscheidungen treffen, ohne dich schuldig oder ängstlich zu fühlen?
    • Suchst du nach Unterstützung, wenn du emotional gestresst bist?
  2. Mit einem vermeidende Bindungsstil würdest Du bei diesen Aussagen mit „ja“ zustimmen:

    • Fühlst du dich oft unbehaglich oder distanziert in engen Beziehungen?
    • Vermeidest du Konflikte oder schwierige Gespräche?
    • Hast du das Gefühl, dass du andere Menschen nicht wirklich brauchst?
    • Ist es für dich schwer, dir selbst oder anderen gegenüber anerkennen, dass du Hilfe brauchst?
    • Glaubst du, dass emotionale Intimität dich schwächen würde?
  3. Mit einem ambivalenten/resistenten Bindungsstil würdest Du bei diesen Aussagen mit „ja“ zustimmen:

    • Brauchst du ständige Bestätigung und Unterstützung von deinen Partnern oder Freunden?
    • Fühlst du dich oft besorgt oder unsicher in deinen Beziehungen?
    • Hast du Angst davor, verlassen zu werden?
    • Befürchtest du, dass die Menschen, auf die du dich verlässt, dich im Stich lassen werden?
    • Würdest du sagen, dass du sehr abhängig von anderen Menschen bist?
  4. Mit einem dissoziierten / desorganisierten Bindungsstil würdest Du bei diesen Aussagen mit „ja“ zustimmen:

    • Fühlst du dich oft verwirrt oder unsicher über deine Gefühle und Bedürfnisse?
    • Zeigst du oft widersprüchliches oder unkoordiniertes Verhalten in Beziehungen?
    • Hattest du als Kind traumatische Erfahrungen?
    • Fühlst du dich oft überfordert und hilflos?
    • Fällt es dir schwer, deine Emotionen zu verstehen und zu verarbeiten?

Bitte beachte, dass diese Fragen nur eine grobe Richtung zur Identifizierung des Bindungstyps geben können und keine professionelle Diagnose ersetzen. Wenn du Bedenken hinsichtlich deiner Beziehungen oder deiner mentalen Gesundheit hast, solltest du dich an einen Experten wenden.